Gedanken zu einem Herzen und einem Lied
in herausfordernden Zeiten
Ehrlich gesagt: Mir ist dieses Lied zu pompös.
Aber in einer Christus-König-Kirche kommt man da nicht wirklich drumherum.
Also singen wir es.
O großer König, Jesu Christ,
Himmel und Welt dein eigen ist.
Über die Erde, die jubelnd glaubt,
über die Wolken aufstrahlt dein Haupt.
Anbetung, Dank und Preis sei dir,
König der Herzen, dir jubeln wir!
O großer König, Gottes Sohn,
Sonnen umkränzen dich als Kron;
Himmel durchleuchtet mit seinem Licht,
Himmel verkläret dein Angesicht.
Anbetung, Dank und Preis sei dir,
König der Herzen, dir jubeln wir!
O großer König, dir sei Ruhm
in deines Reiches Heiligtum.
Welten zerfallen wie Staub und Spott;
immer und ewig bist du, o Gott!
Anbetung, Dank und Preis sei dir,
König der Herzen, dir jubeln wir!
Während des Singens, vor allem am Christkönigsfest,
das immer auf den Sonntag vor dem Ersten Advent fällt,
versuche ich, mich zu retten, indem ich mir
den historischen Kontext vor Augen führe, in dem das Lied entstanden ist.
Im Gotteslob steht: Melodie 1931.
In dieser Zeit war das Bekenntnis zu Christus, dem König,
eine Selbstvergewisserung nach innen
und eine Kampfansage nach außen.
Allerdings durchaus auch gegen die
nach dem Zusammenbruch der europäschen Ordnung
in Folge des Ersten Weltkriegs sich bildenden Demokratien.
Papst Pius XI. hat mit der Einführung des Christkönigsfestes im Jahr 1925
auf die untergegangenen Kaiser- und Königreiche reagiert.
Ein quasi göttliches Aufbäumen gegen die Idee der Gleichheit aller Menschen,
wie sie seit der Aufklärung philosophisch durchdacht
und durch die Französiche Revolution auch politisch umgesetzt wurde
(wenngleich natürlich nicht ohne Fehlentwicklungen und Rückschläge).
Bis die Kirche zur Förderin der Demokratie werden sollte,
dauerte es noch viele Jahre.
Insofern trägt die Christus-König-Verehrung auch immer
die Sehnsucht nach einem starken Herrscher in sich.
Diese antidemokratische Stoßrichtung
nahm aber zum Glück schon recht früh wieder ab
und wurde vor allem zu einem Bekenntnis gegen die faschistischen Führer.
In den 1930er-Jahren, als es zunehmend lebensgefährlich war,
nicht dem Führer zu folgen, hat sich die katholische Jugend
das Bekenntnis zu Christus, dem König, buchstäblich auf die Fahnen geschrieben.
Hundert Jahre nach der Einführung des Christkönigsfestes
und 90 Jahre nach der Weihe unserer Christus-König-Kirche
stehen wir vor Herausforderungen, die wenige noch für möglich gehalten hätten:
Die Nachkriegsordnung mit völkerrechtlich festgeschriebenen und bewährten Formen
des Umgangs von Staaten und Regierungen miteinander droht,
in eine gefährtliche Schieflage zu geraten.
Immer unverhohlender wird der Ruf nach einem Führer.
Immer aggressiver die Auseinandersetzung.
Immer bedrohter die Demokratie.
Viele Menschen sind in Angst und fragen sich:
Wohin wird das alles führen?
Inmitten all dieser Fragen und Sorgen
bewegen wir uns.
Seit einem Gottesdienst, den die Kita St. Antonius
zusammen mit den Berufsbildenden Schulen Haste
kurz vor Weihnachten in unserer Christus-König-Kirche gefeiert hat,
schweben mit Helium gefüllte Luftballons in Herzform
um die Figur von Christus, dem König.
Im Laufe der Zeit ging allen die Luft aus.
Nur einem einzigen nicht.
Er scheint sich festgesetzt zu haben.
In all seiner Fragilität.
Aber auch in all seiner Kraft.
Ich hoffe, dass auch uns
nicht so schnell die Luft ausgeht.
Dass wir einen langen Atem behalten,
denn der Weg, der vor uns liegt,
ist kein Spaziergang.
Ich wundere mich selbst ein wenig,
aber vielleicht möchte ich doch
bald wieder einmal gemeinsam das singen,
was unseren Vätern und Müttern
Mut gemacht hat,
nicht die Hoffnung zu verlieren:
O großer König, dir sei Ruhm
in deines Reiches Heiligtum.
Welten zerfallen wie Staub und Spott;
immer und ewig bist du, o Gott!
Anbetung, Dank und Preis sei dir,
König der Herzen, dir jubeln wir!
Alexander Bergel