Weihnachten ist vorbei. Wann reißt der Himmel auf? Auch für mich? Wo bleibst du, Gott? Wo bleibst du, und wann reißt du den Himmel auf? Auch für mich. Bitte, o bitte, reiß den Himmel auf! Nicht nur für mich. Lass es hell werden. Und vertreib das Dunkle. Die Finsternis. Vertreib: Gewalt, Hass, Hetze, Krieg. Reiß den Himmel auf! Auch für mich. Endlich.
Wann reißt der Himmel auf? Wo bleibst du, Gott? Ich warte. Ich dachte: Du bist da. Und der Advent ist vorbei. Und Weihnachten auch, wenn wir ehrlich sind. In unsern Wohnungen, in unsern Köpfen. Ich dachte: Du bist da, angekommen, in diese Welt. Weihnachten ist doch schon längst wieder vorbei. Leere Tannen kauern trostlos am Straßenrand. Der schön geschmückte Weihnachtsbaum: Nur in den Kirchen steht er noch tapfer da und zeugt vom Licht, das die Finsternis erhellt. Alle Geschenke ausgepackt. Das Geschenkpapier entsorgt. Alles verstaut. Und auch die Mülltonnen lassen sich wieder schließen.
Der Advent ist doch vorbei. Und Weihnachten auch. In unsern Wohnungen, in unsern Köpfen. Vorbei der Heilige Abend. Vorbei das kleine Licht in der dunklen Nacht. In dieser einen Nacht trittst du in unsere Welt und der Himmel reißt auf, oder? Nur noch eine Ahnung ist davon geblieben. Schon hat der Alltag uns wieder. Es ist wieder etwas dunkler geworden. Oder bilde ich es mir nur ein? Nur selten und mühsam setzt das Licht sich durch: Hier und da ein Sonnenstrahl. Meistens graue Suppe. Am Himmel. In den Köpfen. In den Herzen. In der Seele.
Geblieben ist vielleicht die Ahnung vom Licht. Und die Sehnsucht danach. Und die Frage: Wann reißt der Himmel auf? Auch für mich? Wo bleibst du, Gott? Wo bleibst du, Gott, und wann reißt du den Himmel auf? Auch für mich. Nicht nur für mich. Lass es hell werden. Und vertreib das Dunkle. Reiß den Himmel auf!
Der Himmel reißt auf. Die Taufe Jesu. Jesus wird getauft. Die Evangelisten berichten alle davon. Bei Markus und Matthäus. Bei Johannes. Lukas. Wir haben das Wort gehört. Der Täufer tritt auf. Er steht am Jordan. Er predigt. Sag mir, wann reißt der Himmel auf? Johannes ruft: »Ändert euer Leben!“ Und er tauft. Mit Wasser. Und weiß: »Da kommt einer – der tauft mit dem Geist!«
Jesus wird getauft. Der uns den Auftrag gibt zu taufen: Er selbst wird getauft. Vom Täufer. Jesus wird getauft. Der uns den Auftrag gibt zu taufen: Noch bevor er predigt und heilt und Wunder tut, bevor er den Menschen von Gott erzählt und vom Leben, bevor er gefangen genommen wird und gefoltert, bevor er stirbt am Kreuz und begraben wird, noch bevor er zurückkehrt und uns seinen Geist schenkt, lässt Jesus sich taufen.
Jesus wird getauft. Und der Himmel reißt auf. Wann reißt der Himmel auf? Johannes steht am Jordan und sagt: »Ändert euer Leben!“ Und er tauft. Und Johannes tauft Jesus. »Und dann reißt der Himmel auf und der Heilige Geist kommt herab in Gestalt einer Taube und eine Stimme aus dem Himmel sagt: Du bist mein geliebter Sohn.«
Der Geist. Die Taube. Der Himmel reißt auf und der Geist stürzt sich herab. Der Geist kommt auf ihn herab und bleibt auf ihm. Und der Geist nimmt Gestalt an – und wählt die Taube. Die Taube. Nach der Flut kündet sie den Neubeginn des Lebens. Mit dem Ölzweig im Schnabel wird sie zum Symbol des Friedens. Und als Turteltaube ist sie ein Zeichen der Liebe. Die Taube. Die Gestalt, die der Geist wählt.
Wann reißt der Himmel auf? Wann reißt der Himmel auf? Wo bleibst du, Gott? Ich warte. Wann reißt der Himmel auf? Das ist eine Advents-Frage. Und der Advent ist im Januar nicht einfach wieder vorbei. Eine Wartezeit, die bleibt. Der Advent, der nicht jedes Jahr im Dezember kommt und wieder geht und nur eine Ahnung hinterlässt, nur eine Spur.
Wann reißt der Himmel auf? Das ist eine Sehnsuchts-Frage. Eine Sehnsucht, die ich mein Leben lang spüre. Wann reißt der Himmel auf? Für dich? Wie sieht es aus, für dich, wenn der Himmel aufreißt? Wie sieht es aus, wenn ein Stück von seinem Glanz in dein Leben scheint? Wann reißt der Himmel auf? Für dich? Glaub dran, dass das passieren kann. Vertrau da drauf und auf ihn. Auf ihn, der uns den Himmel geöffnet hat. Setz dein Vertrauen in den, der uns sein Versprechen gegeben hat.
Und ja, es ist nur eine Hoffnung, eine Verheißung. Aber: »Sei gewiss: Der den glimmenden Docht nicht auslöscht, berührt dich zärtlich, entzündet das Feuer immer wieder von neuem. Der das geknickte Rohr nicht zerbricht, richtet dich immer wieder auf, stärkt dir den Rücken und führt dich ins Leben – in das Leben in Fülle, das er dir verheißen hat.«
Und wenn der Himmel aufreißt, für dich, und wenn der Himmel sich öffnet und ein Stück von seinem Glanz in dein Leben scheint, ja, dann steigst du mit Jesus aus dem Wasser. Mit offenen Ohren und offenen Augen unter dem offenen Himmel, mit einem erfüllten Herzen und mit einer Seele, in der kein Sehnen mehr brennt, wenigstens für den Augenblick.
Und wenn der Himmel aufreißt und mit seinem Glanz in unser Leben scheint, ja, dann steigen wir mit Jesus aus dem Wasser als Töchter und Söhne des einen Gottes. Denn an uns ist etwas geschehen: Der Himmel steht offen. Ein neuer Anfang ist gemacht. Und eine Stimme sagt: »Du bist mein geliebtes Kind.«
Matthias Groeneveld